Rundherum Krisen in nah und fern: Es wimmelt nur so von Herausforderungen – auf globaler, persönlicher und zwischenmenschlicher Ebene…
Wie kann es gelingen, uns davon nicht „umhauen“ zu lassen und stattdessen Stabilität und Weitblick zu bewahren? Was hilft uns dabei, dass wir uns den Krisen (zumindest emotional) nicht völlig ausgeliefert fühlen?
Gefühle sind wichtig, auch negative. Wir sollten sie wahrnehmen und spüren (Gefühle wollen gefühlt werden). Und gleichzeitig dürfen wir konstruktiv mit ihnen umgehen in dem Bewusstsein, dass wir mehr sind als unsere Gefühle. Da ist ein Gefühl (z.B. Angst oder Trauer), aber ich bin nicht das Gefühl. Da gibt es noch so viel mehr… Genau so ist es mit unseren Gedanken: Wir haben sie, aber wir sind nicht unsere Gedanken!
Bevor uns Gedankenschleifen und Sorgen komplett vereinnahmen oder starke Gefühle uns aus der Bahn werfen, wir den Boden unter den Füßen verlieren, können wir bewusst mit ihnen arbeiten. Das Zauberwort dafür heißt Selbstregulation. Dieser Begriff kommt aus der Psychologie und meint, dass wir uns selbst beruhigen und unser Nervensystem ausbalancieren können, wenn es einmal zu stark ausschlägt (auf die eine oder andere Seite). Dafür gibt es hilfreiche Atemtechniken, Übungen für den Körper, aber auch für unseren Geist. Die „Mindset-Arbeit“ können wir sehr gut schreibend machen!
Selbstfürsorge ist dabei ein zentrales Thema und kann präventiv geübt werden. Je besser wir generell in der Lage sind, gut für uns selbst zu sorgen, desto leichter fällt es uns auch in schwierigen oder gar Extremsituationen, einen guten Umgang mit Herausforderungen zu finden. Hier Ihnen einige Tipps und Übungen dafür.

Dialog mit der Angst
Vieles da draußen in der Welt kann ganz schön Angst machen. Angst ist grundsätzlich nichts Negatives. Sie kann uns auch schützen oder uns aufzeigen, wo wir gut/besser auf uns schauen sollten. Sie macht uns wachsam, warnt uns u.U. vor konkreten Gefahren… Aber die Angst kann uns auch lähmen, in eine gedankliche und emotionale Enge führen, uns starr werden lassen und handlungsunfähig.
Deshalb lade ich Sie ein, sich heute ganz bewusst mit Ihrer Angst auseinanderzusetzen. Sich ihr liebevoll zuzuwenden, mit ihr zu sprechen und zu hören, was sie zu sagen hat.
–> Wichtig: Falls Ihre Angst sehr stark ist und/oder Sie schon einmal Panikattacken hatten, beenden Sie bitte die Übung, sobald Sie merken, dass Ihre Gefühle Sie „überschwemmen“. Oder holen Sie sie von Anfang an professionelle Begleitung dafür (Psycholog:in, Psychotherapeut:in)!
Nehmen Sie sich ca. 20 Minuten Zeit. Suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie ungestört sind und kommen Sie zur Ruhe. Der Atem fließt und Sie lauschen nach innen. Ist da Angst? Nehmen Sie Ihre Empfindungen einfach nur wahr, ganz neutral, ohne sie zu bewerten. Auch die Angst. Schauen Sie mit Selbstliebe und Neugier hin, als ob die Angst ein kleines Kind wäre, das Sie in den Arm nehmen und halten.
Dann greifen Sie zu Stift und Papier und schreiben einen Dialog mit Ihrer Angst. Stellen Sie ihr Fragen wie: „Angst, was willst du mir sagen?“ oder „Wofür bist du da? Was brauchst du von mir?“ oder „Liebe Angst, was kann ich tun, damit du dich wieder zurückziehst?“, „Wie kann ich besser mit dir umgehen?“ etc.
Schreiben Sie die Antworten intuitiv auf, ohne viel darüber nachzudenken. Der Stift bleibt in Bewegung.
Fahren Sie so lange fort mit dem Dialog, bis all Ihre Fragen beantwortet sind und Sie beide eine Vereinbarung getroffen haben, wie Sie miteinander umgehen können und wollen.
Zum Abschluss machen Sie einen Strich unter das Geschriebene, lesen das Papiergespräch noch einmal durch und schreiben Ihre Erkenntnis darunter.
Zuversicht bewahren und den Fokus auf das Gute richten
Was gibt mir mitten in all den Krisen Hoffnung und Zuversicht? Was macht mir Mut?
Schreiben Sie frei und intuitiv zu diesen Fragen. Vielleicht fällt Ihnen nicht sofort etwas ein, aber ich bin mir sicher, dass spätestens nach ein paar Minuten doch etwas auftauchen wird. Und noch etwas. Und noch etwas. Nach ca 10 oder 15 Minuten lassen Sie den Stift ruhen, lesen noch einmal, was Sie geschrieben haben und beobachten, wie sich diese Worte auf Ihr Befinden auswirken: auf Ihren Geist, Ihre Emotionen und Ihren Körper.
Als Verdichtung empfehle ich Ihnen ein „Akrostichon“ zum Wort HOFFNUNG, ZUVERSICHT oder MUT. Dazu schreiben Sie die Buchstaben des Wortes untereinander, diese bilden dann jeweils den Anfang einer Assoziation dazu (Wort oder Satz), z.B.
H eilung
O ffenheit
F röhlichkeit
F amilie
N achhaltigkeit
U mweltschutz
N atur
G emeinschaft
Selbstakzeptanz und Selbstliebe
Wie oft kritisieren wir uns selbst, sehen nur das, was wir (noch) nicht so gut können, was wir nicht mögen an uns. Wir sehen sofort unsere Schwächen und Fehler und nur selten auch unsere Stärken und Fähigkeiten, unsere Liebenswürdigkeiten. Und selbst wenn wir sie kennen, trauen wir uns oft nicht, sie auszusprechen – aus Angst, eingebildet zu wirken.
Mit dieser Übung ändern wir das. Sie dürfen sich ganz bewusst loben und sogar einen Liebesbrief schreiben!

Beginnen Sie mit ein paar Stichworten:
- Was mag ich an mir? (Verhaltensweisen, Eigenschaften, Fähigkeiten, Äußerlichkeiten… – vom kleinen Zeh bis zur Gabe, gut zuzuhören…)
- Was finde ich an mir besonders liebenswürdig? (Eigenschaften wie schwarzer Humor bis hin zu kleinen Ticks und Marotten, die wir doch alle haben…)
- Was macht mich einzigartig?
Sie werden staunen, wie viel Sie finden, wenn Sie sich Zeit lassen und sich einfach trauen!
Liebesbrief an mich selbst
Wenn Sie genug gesammelt haben, beginnen Sie einen Liebesbrief an sich selbst zu schreiben. Ganz so, wie Sie es auch tun würden, wenn Sie einer anderen geliebten Person einen Brief schreiben. Am besten sogar auf schönem Briefpapier…
Wenn Sie mögen, stecken Sie den Brief danach in ein Kuvert, legen ihn irgendwo in eine Schublade, wo Sie ihn später einmal zufällig finden werden und sich daran erfreuen. Oder Sie kleben eine Briefmarke drauf und stecken ihn ins nächste Postkastl. Oder Sie bitten jemanden, ihn irgendwann für Sie abzuschicken.
Falls Sie elektronische Post bevorzugen, ist die Plattform „futureme.org“ eine gute Wahl.
Freude und Leichtigkeit einladen
Gerade in Zeiten, in denen es nicht rund läuft oder uns alles mühsam und schwer erscheint, lohnt es sich immer wieder, bewusst der Freude und der Leichtigkeit nachzuspüren. Dazu eignen sich folgende Impulsfragen, die Sie am besten in ca. 5-10minütigen Freewritings intuitiv beantworten:
- Bei welchen Tätigkeiten fühlen Sie sich „im Fluss“?
- Was bringt Sie zum Lachen?
- Wann hüpft Ihr Herz vor Freude?
- Wofür empfinden Sie Dankbarkeit?
- Was begeistert Sie? Wofür brennen Sie?
- Was in Ihrem Leben fühlt sich gerade leicht an? Wie könnten Sie mehr davon in Ihren Alltag integrieren?
Cinqain
Wenn Sie Lust haben, verdichten Sie Ihre Erkenntnisse in Form eines Gedichts, z.B. als „Cinqain“. Inspiriert vom Haiku werden im Cinquain die Silben gezählt und zwar im Aufbau 2-4-6-8-2:
- Die erste Zeile nennt den Inhalt des Gedichts (2 Silben),
- die zweite beschreibt ihn (4 Silben),
- die dritte nennt eine Aktion (6 Silben),
- die vierte ein oder mehrere Gefühle (8 Silben),
- die fünfte beendet das Gedicht mit einem Synonym für den Titel (2 Silben).
Ein Beispiel:
Wandern
in den Bergen.
Ich sitze und schreibe.
Glücklich, zufrieden und staunend.
Weite.

Womit kann ich mir (heute) etwas Gutes tun?
Sie wissen jetzt schon gut, was Ihnen wohl tut, was Sie in ein Gefühl von Zufriedenheit und Flow bringt. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter in die konkrete Umsetzung.
Am Beginn kann ein neues Freewriting stehen zur Frage: „Wie sieht ein idealer, wohltuender Tag für mich aus?“ Oder Sie nehmen die Freewritings aus der obigen Übung als Ausgangspunkt. Filtern Sie daraus konkrete Dinge als Stichworte und legen damit eine Liste an. Eventuell ist es auch hilfreich, Ihre Wohlfühl-Werkzeuge in mehrere Kategorien zu unterteilen:
- schnell, spontan, jederzeit möglich (z.B. 3 x tief durchatmen),
- kurze Zeiteinheiten mit maximal 10 Minuten (z.B. Morgenseiten schreiben),
- Aktivitäten bis zu einer Stunde (z.B. Spaziergang) und
- längere Vorhaben (z.B. wandern, schwimmen, radfahren, Freund:innen treffen…).
Danach markieren Sie etwas, das Sie heute noch umsetzen können. Dann etwas für morgen und übermorgen und/oder eine kleine tägliche Geste der Selbstfürsorge wie z.B.: „5 Minuten achtsame Tee- oder Kaffeepause am Vormittag“ oder „10 Minuten Schreiben morgens oder abends“…
Eventuell finden Sie eine Tätigkeit, die Sie wöchentlich für sich tun möchten und tragen diese gleich in den Kalender ein (wie z.B. „Waldspaziergang jeden Freitagnachmittag“)!
Bewahren Sie die Liste gut sichtbar auf und schauen Sie immer wieder darauf. In stressigen Zeiten wird sie Ihnen helfen, schnell etwas auszuwählen und umzusetzen, auch wenn Ihr Kopf gerade keine Ideen hat.
Viel Freude und Leichtigkeit bei der Selbstfürsorge wünscht Ihnen von Herzen
Alexandra Peischer
PS: Falls Sie Lust haben, mit mir und anderen gemeinsam Selbstfürsorge-Tools zu lernen und auszuprobieren, dann komme Sie gerne zu meinem Workshop Selbstfürsorge und achtsames Schreiben!